Depression

Depression: Wie alles begann.

Ich bin jetzt 60 Jahre alt. Vom Kopf her bin ich deutlich jünger, aber damit bin ich wohl nicht allein. Was mich nervt sind immer diese Tage wo ich mich und das, was ich gesagt/getan habe, in Frage stelle. Klar weiß ich, dass ich diese Dinge nicht rückgängig machen kann. Also warum frage ich mich immer wieder (nicht jeden Tag!)?

Aus der Distanz würde ich sagen, dass ich kein Selbstvertrauen zu mir und meinen Entscheidungen habe. Oft was angefangen und genauso oft wieder alles abgebrochen. Ich habe es nie geschafft die Person, um die es geht, zufrieden zu stellen. Ich war ja nur Hauptschüler, bin in der katastrophalen Zeit, als ich so 9-10 Jahre alt war, voll abgedriftet. Doch anstatt nachzuhaken was mit mir los ist, wurde ich nur bestraft.

Die wildeste Zeit war also in der 5. Klasse. Ich bin extrem jähzornig geworden, habe mich selbst verletzt und ging keiner Prügelei aus dem Weg, auch nicht, wenn der Schüler 3 Klassen über mir war. Die krasseste Szene war während einer großen Pause. Da kam so ein älterer Schüler mit einem gezückten Butterfly-Messer auf mich zu. Er wusste das ich keine Angst vor einer Prügelei hatte und wollte mir mit dem Messer klar machen, wer der Stärkere war.

Ich sah das Messer und schaute dem Schüler in die Augen und ging auf ihn zu und rief nur noch: „Stich doch zu!“ Der Schüler blieb stehen und war verunsichert. Ich ging weiter auf ihn zu und wiederholte meine Aufforderung. Zu diesem Zeitpunkt war ich stark selbstmordgefährdet, was aber keiner erkannte (erkennen wollte). Der Schüler steckte das Messer weg und wich mir aus, doch ich holte den einen Kopf größeren Jungen ein und schlug unbarmherzig zu. Er versuchte sich zu wehren, hatte aber keine Chance, da ich jeden Gegenschlag von ihm wegsteckte. Die Schmerzen trieben mich nur noch weiter in diese unbarmherzige Prügelei. Damals hatte ich die Hoffnung das er das Messer noch mal zücken und die Sache damit beenden würde. Ich verprügelte ihn so stark, dass er für zwei Wochen nicht in die Schule kommen konnte. Keiner hat mich verraten, weil alle Angst vor diesem durchgeknallten Jungen hatten, der ich zu diesem Zeitpunkt war. Der Junge, den ich so verprügelt hatte, sagte später aus, er wäre eine Treppe heruntergefallen, damit war die Sache erledigt.   

Ab diesem Tag wagte keiner mich nur schief anzusehen. Ich war immer allein auf dem Schulhof, da alle einen großen Bogen um mich machten. Damit fing meine einsame Reise an die Spuren bei mir hinterlassen haben, die heute noch schmerzhaft sind.

6 Kommentare

  • Avatar

    Ulla

    Lieber Holger,
    deine Einlassungen bei Mastodon sind, glaube ich, nicht nur mir wichtig. Danke dafür!
    Der Text hier hat mich berührt und beeindruckt. Nur du weißt, ob das Schreiben, das Schreiben über Dinge aus deiner Vergangenheit gut für dich sind. Ich könnte mir vorstellen, dass Betroffene so etwas interessiert. Mich als Betroffene ja.
    Für mich heißt das immer und immer wieder, nicht allein zu sein mit diesem vermaledeiten Elend.

  • Avatar

    Oli

    Lieber Holger,
    vielen Dank für die offenen Worte. Ich kann das nicht bewerten oder kommentieren, dazu fehlt mir jegliche Erfahrung mit deiner Situation. Ich kann dir hier nur zuhören/mitlesen.
    Ich bin froh, dass du den Blog nicht zugemacht hast und weiter schreibst und fotografierst. Du wirst gesehen, gelesen und geschätzt. Auch wenn nich unter jedem Post ein Kommentar steht.
    Keep on rocking!
    Vg, oli

  • Avatar

    Michael Eloy Werthmüller

    Mein lieber Holger,

    ich ziehe meinen Hut vor dir für diese Art der Selbstreflektion und Ehrlichkeit! Auch das muss im Leben gelernt werden und nicht jeder steht zu dem, was er mal getan hat. Wir kennen uns schon seit Jahren und haben uns schon persönlich getroffen und ich verfolge, immer wenn ich Zeit habe, mit viel Interesse deine Fotografie, deine Posts auf Mastodon und werfe natürlich auch gerne immer mal wieder einen Blick auf den Blog deiner Homepage.

    Umso schöner ist es aber zu wissen, dass es dich nach wie vor noch gibt!, Wurde ich zunächst durch deine Bilder in Bezug auf deine Depression auf dich aufmerksam und später, dann über die Fotolinsen haben wir uns ja noch besser kennen gelernt, so kann ich ganz klar sagen, es ist gut, dass es dich gibt!

    Bleib so wie du bist, Michael

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

error: Content is protected !!