Depression

Mein Kampf gegen die Depression und gegen die Deutsche Rentenversicherung.

Vorab ein wichtiger Hinweis: Da ich hier über meine Depression spreche und dieses durchaus auch sensible Themen beinhaltet, möchte ich im Vorfeld eine Triggerwarnung aussprechen. Wenn du psychisch nicht stabil bist z.B., dann würde ich dir empfehlen diese Folge auszulassen und erst anzuhören, wenn du wieder fit genug dafür bist.

In der einer der letzten Folgen habe ich euch ja beschrieben, wie alles angefangen hat und ich nach meinem Aufenthalt in einer psychosomatischen Abteilung eines Krankenhauses dachte, ich bin geheilt und brauche keine ambulante Therapie. Wie schon gesagt, war das eine völlige Fehleinschätzung von meiner Seite her.

Sicher, es ging mir lange Zeit gut. Ich habe anfänglich noch meinen Puls und meinen Blutdruck kontrolliert. Und obwohl beides zu hoch war, hörte ich irgendwann auf diese weiter zu beobachten und die Hausärztin zu kontaktieren.

So vergingen diverse Monate in denen ich gar nicht mehr darüber nachdachte, was mir die Therapeutin zu mir sagte, dass ich eine ausgewachsene Depression habe. Ich und Depression, ich lachte darüber, denn es ging mir ja gut. Das sich dieses schlagartig ändern könnte, kam mir nie in den Sinn.

Doch eine Tages war es so weit. Eine schwere depressive Episode nahm von mir Besitz und ich fiel in ein dunkles schwarzes Loch. Das Ganze geschah innerhalb von wenigen Minuten, so dass ich keine Möglichkeit hatte, etwas dem entgegenzusetzen. Was denn auch? Ich hatte nicht gelernt mit so einer Situation umzugehen. In der psychosomatischen Klinik ging es nie wirklich um das Thema Depression.

So saß ich zu Hause vor dem Computer und sah mir belangloses Zeug an, oder lag auf der Couch und war zu nichts mehr fähig. Selbst einfache Dinge wie den Müll raus bringen konnte ich nicht mehr. Alles war wie weggeblasen. Auch emotional. Ich empfand nichts mehr. Keine Wut, kein Ärgern, keine Liebe oder Zuneigung z.B. meiner Frau und unseren Kindern gegenüber. Mir war alles egal. Ich spürte keine Gefühlskälte, sondern empfand gar keine Gefühle mehr

Das zu verstehen ist sehr schwer, weil die Depression alle menschliche Logik aushebelt. Man kann mir mein Lieblingsessen oder eine versalzene Suppe hinstellen, beide würde ich gleichermaßen essen, da es mir egal ist. Wenn mir jemand 10.000 Euro schenkt oder wir jemanden schuldig sind, ist mir beides egal. Diese Gleichgültigkeit dem gesamten Leben gegenüber macht es auch den Angehörigen schwer bis unmöglich zu den betroffenen Personen durchzudringen.

Wie denn auch? Die betroffene Person weiß ja selbst nicht, was mit ihr geschieht, und kann es auch nicht in Worte fassen. Wie soll dann ein Partner/in oder Freunde darauf richtig reagieren? Das Ganze ist ein Teufelskreis.

Die Depression hielt ungefähr 2 Wochen an und verlies mich im Gegenzug zu dem Beginn, nur langsam. So dauerte es fast eine Woche, bis ich wieder einigermaßen klar im Kopf war.

Dann wurde mir auch klar, dass ich Hilfe brauche und es selbst nicht mehr im Griff habe. dass sich selbst einzugestehen ist nicht leicht, da man dann sich eingestehen muss, sein Leben nicht mehr zu kontrollieren. Wer gibt das schon gerne zu?

So ging ich erst zu meiner Hausärztin, die mir einen Therapeuten empfahl. Dieser hatte sogar relativ kurzfristig einen (Be)Schnuppertermin für mich frei. Es war ein echt mulmiges Gefühl mich mit einer für mich fremden Person zusammen zu setzen und über meine Situation zu reden. Aber auf der anderen Seite, was hatte ich zu verlieren. So fing meine ambulante Therapie ca. vier Wochen nach meiner depressiven Episode an.

Was einem Betroffenen klar sein muss, so schnell wie es bei mir ging, ist nicht der Regelfall. Bis zu zwei Monate Wartezeit ist nicht selten und dann kann es noch mal 4 Wochen dauern, bis man seinen ersten „richtigen“ Termin hat.

Gleichzeitig zum Therapeuten, verwies mich meine Hausärztin zu einem Psychiater. Denn nur dieser durfte mir die Medikament aufschreiben, die ich im Kampf gegen die Depression bekommen sollte. Also noch mal einer fremden Person meine Geschichte erzählen und dass ich hilflos bin. Es sind echt viele Hürden zu überwinden, aber ich muss aus heutiger Sicht sagen, es lohnt sich. Dazu aber später mehr.

Meine Termine beim Therapeuten waren lange Zeit ein bis zweimal die Woche. Was deutlich zeigte wie dringend ich Hilfe benötigt habe, damals. Nach einigen Wochen fragte mich mein Therapeut, ob ich mir noch mal einen stationären Aufenthalt vorstellen könnte. Ich sagte dazu ein klares Nein im Bezug auf die Psychosomatische Einrichtung im Krankenhaus. Doch er hatte da eine ganz andere Klinik im Auge. Diese war neben der Psychosomatik auch auf Depressionen und ihren Auswirkungen spezialisiert. Nach anfänglichem Zögern stimmte ich einem Aufenthalt zu.

Hier mal ein kleiner Cut, denn es gab auch noch ein anderes Schlachtfeld, auf dem ich zu kämpfen hatte. Und das war die finanzielle Versorgung. Da ich laut Therapeut und Psychiater nicht arbeitsfähig war, beantragte ich eine sogenannte Zeitrente, die von der deutschen Rentenversicherung abgelehnt wurde.

Im Vorfeld musste ich nach Freiburg zu einem Amtsarzt fahren, der mich untersuchen sollte, um zu klären, ob der Anspruch gerechtfertigt ist. Diese sogenannte Untersuchung lief wie folgt ab. Der Arzt begrüßte mich ziemlich kurz angebunden, führte mich in ein Zimmer mit Tischen und Stühlen. Dann gab er mir einen mehrseitigen Fragebogen, den ich ausfüllen sollte. Danach verschwand der Arzt und ich saß da allein und versuchte diesen Fragebogen nach besten Gewissen auszufüllen. Bei manchen Fragen wusste ich nicht was genau gemeint war und ließ diese offen. Nach ca. 30 Minuten kam der Arzt wieder und fragte, ob ich fertig sei. Ich erzählte ihm von den offenen Fragen. Er meinte nur das ist nicht so wichtig. Damit verabschiedete sich dieser sogenannte Amtsarzt und ich konnte wieder gehen. Keine einzige Frage wie es mir derzeit geht, was mit mir geschieht, wenn ich eine depressive Episode habe, nichts dergleichen.

Anhand dieser höchst merkwürdigen Untersuchung wurde mein Antrag auf eine zeitliche Erwerbsminderungsrente abgelehnt. Wen wundert es?

Doch für mich war es ein totales Chaos, in das ich stürzte, nicht nur die Depression, die mich nun öfters besuchte, war mein ständiger Feind, sondern das finanzielle System ging auch den Bach hinunter. Ich sah uns schon unter einer Brücke schlafen.

Dann bekam ich den Tipp, ich solle mich mal an den VDK wenden. Die können einem bei einem solchen Fall sicher weiterhelfen. Der VDK ist der größte Sozialverband in Deutschland mit über 2 Millionen Mitgliedern. Ich ergriff diesen Strohhalm, ohne zu wissen, ob ich dort wirklich Hilfe bekommen würde. Ich machte einen Termin und ging ohne eine Erwartungshaltung hin.

Ich erzählte dort meine Geschichte und mir wurde gesagt das die Reaktion der Rentenversicherung, ganz normal sei, leider. Anträge auf eine befristete Erwerbsminderungsrente würden im Normalfall abgelehnt. Na toll, und jetzt? Der Mitarbeiter beruhigte mich und sagte das man jetzt halt einen Widerspruch einlegen muss mit allen ärztlichen und therapeutischen Unterlagen und er half mir diesen korrekt auszufüllen. Nebenbei wurde mir die Mitgliedschaft im VDK angeraten, damit dieser in meinem Namen auch tätig werden könnte. Damals waren es 65 Euro Jahresbeitrag, derzeit (Stand Januar2024) sind es in Baden-Württemberg 72 Euro, also umgerechnet 6 Euro pro Monat. Was ich damals noch nicht wusste, war das sinnvoll investiertes Geld.

Also habe ich den Brief mit dem Widerspruch abgesendet und wartete auf Antwort.

Dieses Warten und auf die Gnade anderer Menschen angewiesen zu sein, ist die Hölle.

Nach drei Wochen kam die Antwort der Rentenkasse. Wieder abgelehnt. Eine anfänglich schwache depressive Episode ließ mich jetzt in eine bodenlose Tiefe fallen. Selbst ein Widerspruch wurde abgelehnt, wie sollte es nun weiter gehen? Der soziale Absturz war also sicher?

Nachdem ich mich etwas gefangen hatte, machte ich mich wieder auf den Weg zur VDK. Dort wurde nur kopfschüttelnd über die Reaktion der Rentenkasse reagiert. Ein erneuter Widerspruch würde hier aber auch nichts mehr bringen, sagte der Mitarbeiter. Jetzt müsse man härtere Geschütze auffahren. Im Klartext hieß das, Klage vor dem Sozialgericht in Freiburg. Das hat mich erst einmal erschreckt. Doch der Mitarbeiter beruhigte mich ein wenig. Da ich jetzt Mitglied vom VDK war, stand mir auch Rechtschutz zu. Im Klartext hieß das, das ein Anwalt im Auftrag der VDK die Klageschrift aufsetzte und diese wurde dem Sozialgericht zugesendet.

Das hieß also wieder warten für mich. Warten in einer ziemlichen Ungewissheit, obwohl der Mitarbeiter der VDK mir versuchte Hoffnung zu machen.

Dieses Ganze hin und her erstreckte sich über zig Wochen, eher Monate. Neben der Depression, die sich immer wieder kam, hing die Sorge um unsere finanzielle Absicherung wie ein Damokles-Schwert über uns, was meine psychische Belastung an seine Grenzen und darüber hinausbrachte. Selbst Gedanke an einen Suizid waren zwischendurch da, die ich GOTT sein Dank nicht weiterverfolgt habe.

Dann kam der Termin vor dem Sozialgericht. An diesem Tag kamen zwei wichtige Dinge auf einmal zusammen. Am Vormittag der Termin vor dem Sozialgericht und gegen 14 Uhr begann mein 2. stationärer Aufenthalt. So könnt ihr euch ansatzweise vorstellen, wie es mir an diesem Tag so erging. Nun aber zu dem Termin der mein/unser Leben in die eine oder andere Richtung lenken würde. Abhängig zu sein von Menschen, die über das persönliche soziale Schicksal entscheiden ist fast unerträglich.

Ich ging mit meinem von der VDK gestellten Anwalt in das Zimmer, wo alles entschieden werden sollte. Rechts saßen mein Anwalt und ich und links saß der Anwalt der Deutschen Rentenkasse. Dann kam der Richter mit zwei Beisitzern in den Raum. Es wurde dann die Anklageschrift verlesen und dann sprach der relativ junge Richter mich persönlich an.

Ich war zu diesem Zeitpunkt psychisch schon lange weg von der umgebenen Realität. So dass der Richter manche Fragen 2–3-mal wiederholen musste, bis ich eine Antwort darauf geben konnte. Die Fragen gingen in die Richtung wie mein Alltag ausschaut mit der Depression. Inwieweit diese mich einschränkt und ob ich was dagegen unternehmen würde.

Ich erzählte von den depressiven Schüben und Episoden, die plötzlich und unerwartet bei mir auftauchen. Ich sprach von meinem Therapeuten und Psychologe, wo ich in Behandlung war und dass ich an diesem Tag meine 3-monatige stationäre Therapie beginnen würde. Der Anwalt der Rentenversicherung sprach sich dafür aus das sie nicht für meine soziale Absicherung zuständig sein und ich halt mein Geld vom Arbeitsamt beziehen müsste, was Hartz 4 bedeuten würde. Auch die „Diagnose vom Amtsarzt brachte der Anwalt der Rentenkasse ins Spiel, in dem ich ja mehr oder weniger gesund und wenigstens halbtags arbeiten könnte. Nach dieser Befragung zogen sich Richter und Beisitzer für einige Zeit zurück und kamen dann wieder, um den Richterspruch zu meinem Fall zu verkündigen.

Der junge Richter hat sich sofort zum Vertreter der Rentenversicherung gewandt und fragte diesen, was ich denn noch unternehmen sollte, um meine Gesundheit und damit auch die Teilnahme am Arbeitsleben voranzutreiben? Seien ambulante Therapie, Medikamente und jetzt der stationäre Aufenthalt nicht Zeugnis genug, um zu erkennen das ich alles, was in meiner Macht stehende in Bewegung setzen würde? Wie könne da die Rentenversicherung sich quer stellen und mir keine befristete Erwerbsminderungsrente zusprechen, damit ich in dieser Zeit mich um meine Genesung zu kümmern kann? Auch das Attest vom Amtsarzt wurde kurz angesprochen und erklärt das dieser Arzt wohl bekannt dafür sei eher für die Rentenversicherung zu entscheiden als für den Patienten.

Dann kam der Richterspruch. Der Richter sprach mir zu, dass ich eine auf ein Jahr befristete Rente bekommen würde um in dieser Zeit ohne finanzielle Sorgen mich um meine Genesung kümmern kann. Dem Anwalt der Gegenseite sagte er noch zum Schluss das es sich hier um Menschen und ihre Schicksale geht und nicht darum Geld einzusparen.

So ging ich raus aus dem Raum und war erst einmal nicht ansprechbar. Ich brauchte etwas Zeit, um zu realisieren was da gerade geschehen ist. Ich saß fast eine Stunden draußen auf dem Flur wo meine Frau und mein Anwalt bei mir waren. Irgendwann kann der junge Richter vorbei und wünschte mir eine gute Genesung und alles Gute für meine weitere Zukunft.

Wir verabschiedeten uns von unserem Anwalt mit großem Dank. Danach gingen meine Frau und ich eine Kleinigkeit essen. Es lohnte sich nicht mehr nach Hause zu fahren, da die Klinik, in der ich an diesem Tag meinen 2. Stationären Aufenthalt beginnen sollte in der anderen Richtung lag. Dort fuhren wir, immer noch von dem Richterspruch überwältigt, hin. Eine weitere Station in meinem Leben fing dort an. Dazu werde ich aber ein anderes Mal was erzählen. Insgesamt kann man sagen das man mit Hilfe von der VDK durchaus Erfolge erzielen kann, auch gegen eine große Deutsche Rentenversicherung.

Link zum VDK

6 Kommentare

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    Ralfi

    Ein guter Teilerfolg auf Deinem steinigen Weg! Ich habe mich vor 4 Jahren ja von der DRV in eine Wiedereingliederung drücken lassen…

  • Avatar

    matze

    Ich finde es gut, dass du über Depression schreibst, das Thema ist wichtig, um es den Nicht-Betroffenen vielleicht etwas näher zu bringen.
    Bin leider auch an Deptession erkrankt und weiss auf wieviel Unverständnis man trifft.
    Als Nicht-Betroffener ist es schwer diese Erkrankung nachvollziehen zu können. Vor allem wenn man funktioniert, ist alles GUT. Zumindest für die Umwelt.
    Ständig einen Seelenstriptease hinlegen zu müssen und den verschiedenen Ärzten einen kurzen Einblick zu vermitteln, kostet viel Überwindung, ist aber natürlich auch wichtig für die richtige Behandlung.

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