Meine Depression und mein 2. Klinikaufenthalt
Moin und herzlich willkommen zu einem neuen Blogeintrag zum Thema Depression.
Vorab ein wichtiger Hinweis: Da ich hier über meine Depression schreibe und dieses durchaus auch sensible Themen beinhaltet, möchte ich im Vorfeld eine Triggerwarnung aussprechen. Wenn du psychisch nicht stabil bist z.B., dann würde ich dir empfehlen diese Folge auszulassen und erst zu lesen, wenn du wieder fit genug dafür bist.
So, dann starten wir mal durch.
Heute fange ich mal an wie es mir bei meinem 2. Klinikaufenthalt so erging. Wie schon in einer vorherigen Folge ich erzählt habe, war vormittags der Termin vor dem Sozialgericht und am Nachmittag dann der Termin in der Klinik, wo ich für ca. 3 Monate bleiben würde. Als ich dort ankam, war ich noch ganz durcheinander vom Termin bei Gericht. So wurde das Aufnahmegespräch auf den darauffolgenden Tag verlegt. Mir wurde mein Zimmer gezeigt und wie froh war ich, dass ich ein Einzelzimmer dort bekam. Später stellte ich fest, dass die meisten Patienten dort ein Einzelzimmer hatten. Ganz anders also wie bei meinem ersten Aufenthalt in der psychosomatischen Abteilung ca. 2 Jahre zuvor.
Auch das Essen war dort ganz anders geregelt. Es gab einen Speisesaal, wo man mit anderen Patienten sein Essen zu sich nahm, was man sich vorher am Buffet geholt hatte. So in der Richtung einer Firmenkantine kann man es sich dort vorstellen. Das Zimmer war klein, aber mein. Ich musste nicht Rücksicht auf andere Patienten nehmen und hatte auch hier einen persönlichen Rückzugsort und den Luxus von einem Balkon.
Am nächsten Morgen war also das Aufnahmegespräch. Dort wurde ich nach meinen körperlichen und psychischen Problemen befragt. Wie schaut z.B. eine depressive Episode aus bei mir. Was versuche ich dagegen zu unternehmen usw. Es wurde mir sehr genau zugehört. Dann kam eine Frage, die ich so nicht erwartet hatte: „Warum sind sie hier?“
Ich war irgendwie völlig irritiert. „Das sie mir helfen!“ war meine Antwort, was für mich auch völlig logisch war. Nach einer kurzen schweigenden Pause fragte mich die Person vom Pflegepersonal wieder, warum ich hier sei. Ich verstand die Frage nicht. Die hatten doch meine Krankenunterlagen, die müssen doch wissen, warum ich hier bin. Also wiederholte ich meine Antwort: „Damit sie mir helfen!“ Wieder eine Minute des Schweigens. Dann kam die Frage ein drittes Mal. „Warum sind Sie hier?“. Dann erkannte ich worauf die Person hinzielte mit dieser Frage. „Damit ich mit meiner Krankheit klarkomme, und zwar aus eigener Kraft.“
Es ging bei dieser Fragerei ganz einfach darum, dass ich mich nicht zurücklehne und denke die anderen werden mir schon helfen. Wenn ich selbst nicht an mir arbeite, nützt mir auch keine fremde Hilfe. So hatte ich bei diesem Vorgespräch schon ein persönliches AHA-Erlebnis für mich. Was auch gesagt werden muss, das Pflegepersonal, also nicht die Therapeuten, sind alle fachlich geschult im Bereich Depression, Borderline usw.. Auch durften sie je nach Situation zusätzliche Medikamente ausgeben. Also war diese Klinik, rein von dem geschulten Personal, genau das Richtige für mich.
Ich bekam dann noch in Anführungsstriche einen Stundenplan, wann was wo für mich geplant sei. Also Einzel wie Gruppengespräche, Gestaltungstherapie usw.. Ich hatte an diesem Tag noch mal Zeit, um die Räumlichkeiten zu erkunden, wo was stattfindet. Denn diese befanden sich durchaus auf unterschiedlichen Stockwerken. Ich wollte ja nicht zu spät kommen, weil ich den Weg nicht gefunden habe.
Am darauffolgenden Tag hatte ich meine erste Gruppentherapiestunde. Da saß ich nun in einer Runde mit ca. 8 anderen Personen in einem Raum. Mit dabei war ein Psychotherapeut und jemand vom Pflegepersonal. Nach einer kurzen Vorstellung von mir kam die erste Frage. Wie geht es uns aktuell. Es kam jeder zu Wort und sagte wie gut oder schlecht es ihm/ihr ging. Ich sagte nichts dazu. Was sollte ich auch sagen, war ja ganz neu hier.
Doch auch beim nächste Mal hatte ich nichts zu sagen, sondern hörte nur zu was die anderen Patienten zu erzählen hatten. So ging es einige Zeit und dann wurde ich gefragt, warum ich nichts sagen würde, nur schweigend die Zeit verstreichen lasse. Die Frage wurde nicht in der Gruppe gestellt, sondern als ich mit jemanden vom Pflegepersonal ein persönliches Gespräch hatte. Ich sagte das ich mit meiner Geschichte mir lächerlich vorkomme. Höre in der Gruppe viel von körperlicher Misshandlung und das machte mich sehr betroffen und würde meine Situation als lächerlich dagegen empfinden. Ich nehme jemanden den Platz weg der es nötiger als ich habe, war meine Meinung und auch Aussage.
Im Laufe des Gespräches machte man mir klar, dass ein Vergleich grundlegend falsch ist. Ich hätte meine Probleme, andere Menschen haben ihre Probleme. Mein Krankheitsbild ist nun mal eine posttraumatische Belastungsstörung mit mittel bis schwerer Depression. Diese sei nicht wegzudiskutieren und genau deswegen sei ich auch in dieser Klinik. Ich solle mich um meine Krankheit kümmern und wie gesagt, mich nicht mit anderen Patienten und deren Erkrankungen vergleichen.
Nach diesem Gespräch ging ich erst einmal auf mein Zimmer und versuchte das gehörte zu verstehen und zu verinnerlichen. Es dauerte noch einige Gruppensitzungen, bis auch ich anfing über mich zu sprechen. Kein Mitpatient zeigte mir dabei, dass meine Probleme mit dieser Krankheit Depression weniger in Anführungsstrichen „schlimm“ waren, wie das von anderen Patienten. Jeder von uns hatte sein Paket zu tragen, Punkt.
Nach diesen anfänglichen Startschwierigkeiten war die Gruppentherapie auch nicht mehr so unangenehm, im Gegenteil, da ich über meine jeweilige aktuelle Situation gesprochen habe, habe ich auch einen Teil von meiner Krankheit nach außen gebracht und schleppte es nicht mehr allein mit mir rum. Auch die Gespräche mit dem Pflegepersonal taten mir gut.
Was mir aber nicht gut tat war, das ich weiterhin depressive Schübe und Episoden hatte, denn diese gingen jetzt nicht einfach weg. Wenn es mir also nicht gut ging, musste ich mich beim Pflegepersonal für die jeweilige Therapiestunde abmelden. Dort wurde dann besprochen was gerade mit mir los ist und oft konnte man mich überzeugen doch zu der Therapiestunde zu gehen, denn genau da war ich mit meine Depression gut aufgehoben. Doch es gab auch die Momente, wo ich nicht bereit war irgendeinen Menschen zu begegnen, geschweige denn über meine aktuelle Situation zu reden. In diesem Fall konnte ich mich in mein Zimmer zurückziehen, aber mit der Auflage mich nach einer gewissen Zeit beim Pflegepersonal zu melden. Dort wurde dann die aktuelle Situation neu bewertet.
Bei diesem Klinikaufenthalt bekam ich neue Medikamente, die mich unterstützen sollten. Bei solchen Medikamenten darf man aber keine Wunder erwarten. Sie sind oft so ausgelegt das sie bei regelmäßiger Einnahme ca.3-4 Wochen brauchen, um ihre kompletten Wirkungsgrad zu entfalten. Also die Pille, die bei Depressionen sofort hilft, gibt es nach meiner Meinung nicht. Alles braucht seine Zeit. Wie auch die unterschiedlichen Therapieformen ihre Zeit brauchen, um wirksam beim Patienten zu sein. Deswegen werden die meisten Aufenthalte auch auf drei Monate ausgelegt.
Während der Aufenthalt nach einigen Wochen an Normalität gewann, war auch dieses Mal wieder die Gestaltungstherapie, eine meiner bevorzugten Therapieformen. Dort fing ich auch wieder an zu malen an. Dieses Mal aber viel intensiver als noch in der psychosomatischen Klinik vor 2 Jahren. Wieder waren die meisten Bilder sehr abstrakt und nur ich konnte darin was erkennen. Am Ende einer Doppelstunden hängten wir unsere Bilder an die Wand und besprachen sie. Dabei wurde mir klar, weswegen ich diese Therapieform so mochte. Als erstes konnte ich meine Gefühle oder meinen Gemütszustand auf Papier bringen und im Anschluss sogar darüber reden. So wurde das, was mich im tiefsten Inneren beschäftigte klar nach draußen gestellt, was für mich sehr gut war.
Bei einer dieser Erklärungen was das Bild für mich bedeutet ist ein Mitpatient aufgestanden und raus gegangen, ohne ein Wort zu sagen. Er kam auch nicht wieder zurück. Später auf der Station erfuhr ich das durch meine Erklärung er so stark getriggert wurde, dass er n diesem Tag nicht mehr aus seinem Zimmer gekommen ist, auch selbst nicht zum Abendessen. Das hat mich ziemlich mitgenommen, denn ich wollte ja keinem anderen mit meiner Geschichte schaden. Ich sprach mit dem Pflegepersonal über die Situation, die sie natürlich auch mitbekommen haben. Ich wollte nie wieder was malen. Doch das war der falsche Entschluss von mir. Das Pflegepersonal hat mir erzählt das nicht ich das Problem wäre mit meiner Ausführung zu diesem Bild, sondern der Patient hat Probleme damit klarzukommen. Der Patient hat nun die Möglichkeit mit seinen Problemen zum jeweiligen Therapeuten oder zu fachlich geschulten Pflegepersonal zu gehen, um die Lage zu klären. Trotzdem sah ich in mir den Schuldigen. Es bedurfte noch einige Gespräche, bis ich diese Gedanken nicht mehr hatte.
Was mir auch gut getan hat waren die freien Zeiten die wir als Patienten auch hatten. Ich verbrachte diese viel in der angrenzenden großen Parkanlage. Dort habe ich mit meiner Kamera weiter geübt und bekam dadurch auch oft den Kopf frei. Selbst Ausflüge in die Stadt unternahm ich immer mal wieder, um dort einfach ein Eis zu essen, oder einen Kaffee zu trinken. Natürlich verbrachte ich auch Zeit mit anderen Patienten zusammen. Irgendwie findet man immer ein, zwei Personen, die auf derselben Wellenlänge wie man selbst ist. Dabei wurden natürlich auch über einzelne Therapiestunden gesprochen und erzählt, wie gut oder weniger gut sie angenommen wurden. Insgesamt kam ich mit den anderen Mitpatienten gut klar, denn jeder von uns hatte dein Paket zu tragen.
Die Tage in der Klinik vergingen sehr schnell außer am Wochenende da dann keine Therapie stattfand. Man konnte zwar zu jeder Zeit zum Pflegepersonal hin, wenn einen was beschäftigte oder es einem nicht gut ging. Aber die restliche Zeit musste man selber irgendwie verbringen. Ich bekam meistens am Samstag Besuch von meiner Frau und den Kindern und wir verachten einige Stunden zusammen. Ich erzählte meiner Frau was so in der Woch gelaufen war und wie ich mich gerade fühlte. Ich bin sowas von dankbar das meine Frau. Mir dabei eine große Hilfe war. Es gab aber auch Wochenenden, wo ich ihr mitteilte das ich keinen Besuch haben wollte und auch die Kinder nicht sehen wollte. Das war eine schwere Zeit für meine Familie, aber ich wollte keine Maske aufsetzen und nach außen zeigen, dass es mir relativ gut ging. Ich fing an zu lernen, mich selbst wichtig zu nehmen und ehrlich mit meinem persönlichen Umfeld umzugehen. Ich habe eine Krankheit, die sich Depression nennt und auch als Krankheit angesehen wird. Depression ist keine Willensentscheidung, denn die Depression übernimmt den persönlichen Willen, jedenfalls bei mir. Was meine Art der Depression so anstrengend macht, es gibt keine Vorlaufzeit. Die Depression schlägt mit voller Wucht innerhalb von wenigen Minuten bei mir zu. Keine Chance dagegen zu steuern. Sie ist einfach da und je nach Stärke bleibt sie auch längere Zeit.
Der 2. Klinikaufenthalt war für mich ein großer Durchbruch, da ich endlich verstand, was diese Krankheit mit mir macht. Mein Dank geht heute noch an die Therapeuten und dem Pflegepersonal von der Werner-Schwidder-Klinik in Bad Krozingen.
Im Anschluss an diesen Klinikaufenthalt begab ich mich sofort in die ambulante Behandlung und mein Therapeut konnte da weiter machen, wo mein Aufenthalt in dieser Klinik beendet wurde.
An dieser Stelle mache ich erst einmal Schluss. Was ich aber gerne noch an andere Betroffene weitergeben möchte: Lasst euch helfen! Es gibt Hilfe, ihr müsst das nicht allein durchstehen.
In diesem Sinne …. bis zum nächsten Beitrag.