Depression

Depression: „Falsch gedacht !“

Gerade in den Anfangsjahren meiner Depression, also da wo sie diagnostiziert wurde, kamen immer wieder Gedanken auf, die ich heute als völlig falsch ansehe.

Da wäre unter anderem der zweite stationäre Aufenthalt als Beispiel zu nennen.

Gerade in den Gruppensitzungen dachte ich immer wieder, dass was ich habe ist ja gar nichts, wenn ich die Geschichten der anderen Mitpatienten gehört habe. Da war die körperliche Misshandlung in Kindertagen oft ein Thema.

Das war bei mir nicht der Fall gewesen und ich hatte trotzdem Depressionen.

Was konnte ich schon vorweisen? Solche sehr emotionale Gespräche in der sich die Teilnehmer erstmals wagten über ihr Trauma zu reden, waren ziemlich heftig für mich. Dagegen war meine Geschichte nichts, einfach nur lächerlich. Hier saßen Menschen, die diesen stationären Platz viel nötiger hatten als ich. Ich mit meiner Geschichte nehme einem solchen Menschen den Platz hier weg, waren meine Gedanken. Ich wollte diesen stationären Aufenthalt lieber abbrechen, damit ein Mensch mit wirklich tiefen Problemen einen Platz bekommt.

In einer der darauffolgenden Einzelgesprächen mit meinem zuständigen Therapeuten sprach ich darüber und erklärte ihm wie ich die Lage einschätzte und das ich vorhatte den geplanten 12-wöchigen Aufenthalt abzubrechen. Mein Therapeut fragte mich, warum ich in dieser Klinik sei. Ich sagte ihm, um etwas gegen meine Depression zu unternehmen, die mich sogar arbeitsunfähig gemacht hatte. Er fragte weiter, ob sich daran was geändert hätte, also an meiner Depression. Ich verneinte, verwies aber gleich auf die anderen Patienten, die eine solchen stationären Aufenthalt viel nötiger hätten als ich.

Daraufhin fragte er mich wieder, ob meine Depression sich durch einen Weggang verbessern würde. Auch das konnte ich nur wieder verneinen, aber sprach gleich wieder von den anderen Patienten, die es nötiger hätten. Und wieder sprach er von meiner Depression und ob ich mit einem Ausstieg aus der stationären Behandlung es mir besser gehen würde. So langsam nervte er mich mit der immer mehr oder weniger gleichen Fragestellung und ich fragte ihn, ob er es nicht einsehen wollte, dass andere Betroffene es viel nötiger dieses Hilfsangebot brauchten.

Er entließ mich aus dieser Einzelsitzung mit der Frage, warum ich hier sei. Ich war nur noch genervt und dachte, der Typ versteht aber wirklich gar nichts von seinem Job. Er müsse das doch auch sehen das meine Depression viel weniger schlimm ist als die der anderen Patienten. So ging ich frustriert nach draußen auf das offene Gelände der Klinik in Richtung Stadt. Warum schnallt der Therapeut nicht was ich meine?

Schon am nächsten Vormittag gab es wieder ein Einzelgespräch und ich ging missmutig hin, weil ich darin keinen Sinn mehr sah. Wie sollte mir ein Therapeut helfen, der mich nicht versteht?

Kaum saßen wir uns gegenüber fragte er wie es mir geht und was sich gegenüber gestern verändert hat an meiner Meinung, oder eben nicht. Ich habe ihm noch mal klar gemacht, wie ich die Lage sehe und sagte ihm auch das ich seine sehr eingeschränkte Reaktion nicht verstehen konnte. Er müsse das „Problem“ doch auch erkennen. Als er wieder mit der Frage kam, warum ich hier in der Klinik sei, wurde ich sauer, verschränkte meine Arme vor der Brust und sagte gar nichts mehr. Der Typ kann mich mal! Ich sah mich schon gedanklich meinen Koffer packen. Kurz vor Ende dieser schweigsamen Sitzung, In solchen Situationen bleib ich stur und schwieg weiter, fragte er mich, ob ich wirklich vorhabe zu gehen, Was ich mit einem kurzen und knappen JA beantwortete. Er fragte weiter, warum ich dann überhaupt hier sei, und da ist mir die Hutschnur geplatzt, ich wurde laut und schrie ihn an was diese blöde und immer wiederkehrende Frage sollte und ob er nicht einsehen will, was mein Gedankengang ist.

Er blieb dabei ruhig sitzen, während ich auf 180 war. Nachdem ich mal so richtig Dampf abgelassen hatte und mich wieder auf meinem Stuhl hingesetzt habe fing er an die Lage endlich zu erklären. Ich sei freiwillig hier, weil ich mit meiner Depression nicht mehr klarkomme. Genau das Gleiche ist auch bei den anderen Patienten so. Nicht mehr oder weniger. Jeder von uns hat seine eigene Geschichte und somit sein eigenes Krankheitsbild.

Ich sollte mal versuchen mich auf meine Therapie zu konzentrieren als auf andere zu achten, wer was hat und wieso er oder sie in dieser Klinik ist. Jeder Patient hat seine Geschichte und jeder Patient hat Depressionen. Und keine dieser Depressionen gleicht einer anderen durch unsere einzigartige persönliche Art und auch der damit verbundenen Vorgeschichte. Als Tipp zum Schluss möchte er mir anraten, mich selbst wahrzunehmen, meine eigene Depression zu sehen und diese nicht mit anderen zu vergleichen. Denn wegen meiner Depression wäre ich hier und nicht um sie anhand von anderen Patienten zu bewerten. Ich möge mich im Mittelpunkt meiner eigenen Therapie stellen.

Mit diesen „Hausaufgaben“ entließ er mich in das bevorstehende Wochenende.

Zu Anfang war ich wieder nur sauer. Ich solle auf mich und meine Krankheit konzentrieren und diese nicht mit anderen vergleichen. Ja aber … und schon wieder verfiel ich in dieses Denkschema, dass ich mich wieder mit anderen Patienten und ihrem Background verglich. Ich zog mich auf mein Zimmer zurück und versuchte runterzukommen und Platz in meinem Kopf zu schaffen für die „Hausaufgaben. Warum bin ich eigentlich hier. Klar meine Depression und wieder kam das Wort „aber“ in mein Denken hinein, was auf die anderen Patienten mich lenken wollte. Ich versuchte mich von diesem Wort zu lösen, um endlich ganz bei mir zu bleiben und meine Krankheit Depression zu betrachten. Klingt leichter als gedacht. Denn irgendwie sitzt ein kleiner Teufel dann auf meiner Schuler und redet mir dauernd in meine Gedanken rein. Dieser Teufel gehört zu meiner Depression, das weiß ich und trotzdem übernimmt er mit seinen Worten mein Denken und Handeln immer wieder.

So fing ich an alles niederzuschreiben. Warum bin ich hier? Was sind meine Wünsche/Ziele für mich? Durch diese Fragen auf Papier habe ich versucht die Antworten für mich und nur für mich zu finden. Ich hatte gar nicht so viel zu schreiben, aber das, was ich schrieb, bezog sich allein auf meine Person und meine Depression. Am kommenden Montag ging ich mit meinen Aufzeichnungen zur nächsten Einzel-Therapiestunde mit meinem Therapeuten und zeigte ihm meinen Text. Er las diesen durch und fing an zu lächeln an. S“ehen Sie Herr Dankelmann, genau deswegen sind Sie hier. Sie habe hier zum ersten Mal sich selbst wahrgenommen und aufgeschrieben, was Sie sich wünschen für sich selbst. Damit können wir jetzt weiterarbeiten, denn es geht hier um Sie und keinen anderen Menschen! Endlich haben Sie sich selbst für wichtig erkannt, denn das sind Sie!“

Aus dieser Sitzung ging ich irgendwie „befreit“ hinaus. Ich nahm zwar immer noch die anderen Mitpatienten mit ihren Geschichten war, stellte mich selbst aber nicht mehr hinten an, denn ich bin wichtig! Die falsche Denkweise hatte mich lange genug im Griff, ein Neustart wurde an diesem für mich sehr wichtigen Wochenende in der Klink auf Papier gebracht, was ich heute noch besitze und immer wieder rauskrame, wenn ich voller Selbstzweifel bin. Ja auch heute reden noch dieser kleine Teufel in mein Ohr, doch viel seltener. Ich bin richtig und auch wichtig und ich muss mich nicht schämen das ich Depressionen habe! Ich fange an wieder nach oben zu blicken.

Ein Kommentar

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    Aurelia

    Sehr guter Text!
    Es beschreibt eindrücklich, was in einem und dann in der Therapie passiert.
    Nix mit, wir reden mal kurz und gut ist, nee man braucht auch Platz für wütend sein und den Therapeuten als Idiot hinstellen können und trotzdem bleibt der ruhig und bringt einen dazu, zu erkennen.

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