Depression: Der amateurhafte Versuch (m)einer Analyse (Teil 2).
So schnell hätte ich selber nicht gedacht, dass der 2. Teil meiner „Analyse“ in Wort und Bild fertig würde. Irgendwie war der Antrieb so groß, das ich beide Teile innerhalb von wenigen Tagen geschrieben habe. In meinem ersten Teil versuchte ich meinen Standpunkt zu meiner Krankheit Depression in Worte zu fassen. In diesem 2. Teil möchte ich aufzeigen was mir geholfen hat, diese Krankheit besser in den Griff zu bekommen.
Grundlegend gleich zu Anfang, wer an Depressionen leidet, sollte sich fachliche Hilfe holen! Zu meinen, man bekommt es selber alleine in den Griff, ist meiner Meinung nach ein großer Irrtum, der einen nur noch weiter in die Arme dieser Krankheit treibt. Öffnet euch und lasst euch helfen!
Bei mir hat es relativ kurze Zeit gedauert, bis ich erkannt habe, dass mit mir etwas nicht stimmt. Ich hatte den „Vorteil“ das jemand im engsten Familienkreis seit über 10 Jahren an Depressionen leidet. Doch sich fachliche Hilfe zu holen ist deswegen nicht leichter. Man muss sich ja selber und anderen eingestehen, dass man mit seinem Leben nicht mehr klar kommt und wer macht das schon gerne?
Es ging noch einige Zeit ins Land bis nach dem Erkennen, auch der Wunsch nach Hilfe stärker wurde. Ich kam mit mir und meinem Leben überhaupt nicht mehr klar. Ich gab auf und wurde über meine Hausärztin zu ersten stationären Aufenthalt in einer psychosomatischen Abteilung einer Klinik in unserer Nähe überwiesen. Aus der heutigen Sicht war dieser Aufenthalt dort suboptimal. Einige Dinge halfen mir, andere Dinge dagegen eher weniger. Aber ich habe mich auf den Weg gemacht etwas gegen diese Krankheit zu unternehmen. Ich war auf dem richtigen Weg, das war sicher!
Gegen Ende des stationären Aufenthaltes kam die Frage nach einer ambulanten Weiterführung der Therapie durch einen Psychotherapeuten. Ich bekam eine Liste von Fachleuten in meiner Nähe, die ich wegen einem ersten unverbindlichen Gespräch anrufen sollte. Doch ich machte das nicht. Ich war der Meinung, dass nun alles wieder gut ist und ich mein altes Leben wieder hätte. Ein fataler Irrtum!
Sicher, am Anfang funktionierte ich wieder. Ob bei der Arbeit, Freunden, oder zu Hause. Alles lief irgendwie wieder seinen Gang. Ich versuchte erst gar nicht mir weitere Hilfe im Anschluss an dem stationären Aufenthalt zu suchen. Der zweite große Fehler von mir war es, die Medikamente, die ich in der Klinik bekommen hatte, zu Hause nicht weiter einzunehmen. Mir ging es ja wieder gut. Also alles wieder klar. Das brauche ich nicht mehr. So lebte ich meinen Alltag wieder und das ging fast 1,5 Jahre gut. Ich machte mir nicht mal mehr ansatzweise Gedanken zum Thema Depression.
Doch diese Rechnung ging leider nicht auf. Die Depressionen schlugen nicht nur wieder zu, sondern kamen in verschärfter Art und Weise das es mich in kürzester Zeit komplett aus diesem, doch sonst so gut funktionierenden, Leben warf. Ich konnte nicht mehr arbeiten. Ich war zu nichts mehr zu gebrauchen und ich hasste mich dafür. Ich steckte innerhalb von Wochen viel tiefer in der Erkrankung, wie noch vor meinem ersten stationären Aufenthalt.
Ein zweiter stationäre Aufenthalt wurde nötig. Dieses mal in einer anderen Klinik. Diese ist spezialisiert auf posttraumatische Belastungsstörungen mit mittelschweren/schweren Depressionen. So nennt sich mein Krankheitsbild. Da ging es richtig zur Sache, der Aufenthalt wurde sogar um zwei Wochen verlängert, so das ich fast vier Monate „weg vom Fenster“ war. Auch hier kam im Abschluss der Zettel mit Namen von Psychotherapeuten in meiner Nähe. Dieses Mal nahm ich das Telefon in die Hand. Das was mir vorher war, wollte ich mir und meiner Familie nicht noch mal antun.
Ich hatte das große Glück einen fachlich kompetenten Therapeuten zu finden, der mich auch kurzfristig in seine Liste von Patienten aufnahm. Dafür danke ich meiner Hausärztin noch heute dafür, die sich für mich stark gemacht hat. Denn einen Psychotherapeuten zu finden, der einen ohne Monate(!) lange Wartezeit aufnimmt, ist extrem selten. Zusätzlich kam noch ein Psychologe ins Spiel, der für meine Medikation zuständig ist.
Doch ich tat wieder den Fehler vom letzten Mal. Ich bin halt kein Freund von Medikamenten, war ich noch nie. Also lies ich mir diese Medikamente zwar verschreiben, nahm sie aber nicht ein. Ich fing schon an, diese im Alltagsmüll zu entsorgen, damit es nicht auffiel. Doch das ging nicht lange gut. Meine Schlafstörungen kamen wieder und ich lief nur noch mit halber Kraft am Tag, wenn es ein guter Tag war. Ich musste was ändern.
Ich fing an die Medikament zu nehmen, erst unregelmäßig, was aber nicht viel brachte. Erst nachdem ich regelmäßig meine Tabletten zu mir nahm, konnte ich wieder die Nacht durchschlafen und war wenigstens körperlich schon mal fit für den Alltag. Mir geht es relativ gut, was nicht heißt, ich war geheilt. Denn das ist bis jetzt noch nicht möglich bei mir, will es aber auch nicht komplett verneinen. Zwischenzeitlich, nach einem härteren Kampf (bin bis vor das Sozialgericht gegangen), habe ich eine befristete Erwerbsminderungsrente die im Frühjahr 2023 ausläuft. Was dann kommt, kann keiner sagen.
Vor zwei Wochen hat mich eine depressive Episode unerwartet ziemlich heftig getroffen. Wochenlang ging es mir eigentlich sehr gut. Dann kam sie und die Wirkungen spüre ich heute noch nach. doch ich habe gelernt! Ich habe einen Termin bei meinem Psychologen und werde das ansprechen.
Grundlegend werde ich weiter daran arbeiten diese Krankheit für mich besser in den Griff zu bekommen und ich bin dankbar für die therapeutische Unterstützung und auch selbst für die Medikamente kann ich zwischenzeitlich dankbar sein. Ich möchte noch eines kurz zum Schluss zum Thema Medikament ansprechen.
Zu jedem Medikament und seiner Wirkung kann man zwischenzeitlich Informationen im Internet finden. Habt keine Angst, sie werden nicht eure Persönlichkeit verändern, denn das hat die Depression schon längst gemacht. Sie helfen euch wieder ein, mehr oder weniger, normales Leben führen zu können. Es ist sicher kein einfacher Weg, aber macht nicht die Fehler den ich gemacht habe! Lasst euch helfen! Ihr seit es uns wert!
In diesem Sinne, bleibt mir gewogen.
3 Kommentare
Josef Hofer
Lieber Holger,
meine Hochachtung, dass du es geschafft hast, so offen und analytisch über deine eigene Depression zu schreiben! Da gehört viel Mut dazu, sich so zu öffnen und nachträglich so kritisch über sein eigenes Verhalten zu schreiben.
Das ist weit entfernt von ‚amateurhaft‘ und liest sich für mich sehr professionell!
Dein Leben hat so viel Struktur, die sich über deine Website, Postings, und deine Fotos äußert, dass die Krankheit für mich nicht erkennbar wäre, würdest du nicht selbst darüber berichten.
Da kann man nur hoffen, dass möglichst viele betroffene Menschen deinen Blog lesen, um daraus Hoffnung und Hilfe zu erfahren.
Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft und Ausdauer, deinen Zustand nachhaltig zu verbessern und zu deiner Zufriedenheit zu erhalten.
Jedenfalls freue ich mich auf deine weiteren Postings, Fotos, Berichte.
seppi_hofer
Holger
Hallo Seppi.
Vielen lieben Dank für dein Feedback und dein Lob.
Auch wenn ich offen über meine Depression spreche, weiß ich um die vielen da draussen die es nicht können. Deswegen ist es wichtig, dass ich eine Stimme von vielen bin um diese heimtückische Krankheit an die Öffentlichkeit zu bringen.
Gruss
Holger
Gerhard
Sehr gut! Du machst Mut.
Auch wenn Medikamente keine Lösung (im Wortsinn) sind, so können sie helfen, das Leben mit Depression besser zu bewältigen. Geheilt wird man dadurch nicht.
Und hin und wieder kommt es auch vor, dass sie nach jahrelanger Einnahme ihre Wirkung verlieren. Dann hilft nur Ausschleichen und andere Medikamente nehmen, da ist gutes neurologisches Fachpersonal viel wert.
Ohne Medikation kann’s ganz schnell ganz blöd werden.